Energiebilanz und Essstörungen
Gesunde Energiebilanz Der vom Körper verwertbare Energiegehalt der Nahrung lässt sich in Kilokalorien (kcal) oder Kilojoule (kJ) angeben. Das Wort Kalorie leitet sich von dem lateinischen Wort "calor" für Wärme ab. Dabei entspricht eine Kilokalorie genau der Energiemenge, die man braucht, um ein Liter Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen. 1 Kilokalorie (kcal) = 4,184 Kilojoule (kJ) 1 g Protein: 17 KJ / 4 kcal |
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Weitere Nahrungsstoffe sind Vitamine, Mineralien, Spurenelemente sowie Ballaststoffe. Bei den Vitaminen lässt sich zwischen fettlöslichen und wasserlöslichen Vitaminen unterscheiden. Viele Vitamine kann der Körper nicht oder nur in bestimmten Vorstufen bilden. Diese sog. essentiellen Vitamine sind für eine ganze Reihe von Stoffwechselvorgängen von großer Bedeutung und müssen dem Körper zugeführt werden. Einteilung des Energiebedarfs Als Grundumsatz bezeichnet man die Energiemenge, die der Körper bei völliger Ruhe und gleichbleibender Umgebungstemperatur benötigt, um die lebensnotwendigen Funktionen wie Atmung, Stoffwechsel, Kreislauf und richtige Körpertemperatur 24 Stunden lang aufrecht zu erhalten. Körperbau, Gewicht, Größe, Alter und Geschlecht beeinflussen den individuellen Grundumsatz; er hängt ab vom prozentualen Verhältnis zwischen Muskelmasse und Körperfett. Weil Männer mehr fettfreie Körpermasse besitzen als Frauen, liegt ihr Grundumsatz durchschnittlich 10% höher. Doch auch der Hormonhaushalt, Stress, Fieber, Medikamente sowie klimatische Verhältnisse beeinflussen den Grundumsatz. Vereinfacht lässt sich der ungefähre Grundumsatz berechnen, indem man das Körpergewicht in kg mit 24 Stunden, also der Dauer eines Tages, multipliziert. Um das Alter einzubeziehen, multipliziert man diesen Wert wiederum mit einem bestimmen Faktor für jede Altersklasse. Der Leistungsumsatz beinhaltet die Energie, die der Körper innerhalb von 24 Stunden über den Grundumsatz hinaus verbraucht, bei körperlicher und geistiger Aktivität, zur Wärmeregulation bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen, gegebenenfalls für Schwangerschaft, Stillen, Wachstum oder Regeneration nach Krankheiten oder Verletzungen. Mit zusätzlicher körperlicher Aktivität lässt sich der Leistungsumsatz erheblich steigern. Der Berechnung des Leistungsumsatzes dient der PAL (Physical Activity Level) als Maß für die körperliche Aktivität. Beim Schlafen beispielsweise verbraucht der Körper wenig Energie, der PAL liegt bei 0,95. Wer tagsüber im Büro sitzt und sich nicht viel bewegt, dessen PAL ist etwa 1,4. Menschen, die körperlich sehr anstrengende Arbeit verrichten, wie z.B. Bauarbeiter, haben einen deutlich höheren Wert (2,0 bis 2,4). Doch auch Freizeitaktivitäten gehören zum Leistungsumsatz dazu. Außerdem haben Schwangere und Stillende einen erhöhten PAL. Zur Berechnung des individuellen täglichen Energiebedarfs wird ein Tag in je 8 Stunden Schlaf, Arbeit sowie Freizeit eingeteilt, jeweils mit eigenem PAL. Der daraus hervorgehende Mittelwert beschreibt den Faktor der körperlichen Aktivität beim Leistungsumsatz (PAL gesamt = [PAL Arbeit + PAL Freizeit + PAL Schlaf] / 3). Wer täglich 30 bis 60 Minuten intensiv Sport treibt, erhöht damit seinen PAL um weitere 0,3 Punkte. Der Gesamtumsatz setzt sich zusammen aus Grund- und Leistungsumsatz pro Tag. Bei üblicher körperlicher Belastung stellt dabei der Grundumsatz den größten Teil des Energieverbrauchs dar. Der individuelle Gesamtumsatz ergibt sich durch Multiplikation von Gesamtumsatz mit PAL. Magersucht Etwa 1% der Frauen und 0,1% der Männer im Alter von 15 bis 25 Jahren leiden an Anorexie. Die Ursachen der Magersucht sind vielfältig. Sie basieren auf genetischen Faktoren, psychischen Belastungen in der Pubertät - durch Veränderung des Körpers und ungelöste familiäre Konflikte - sowie gesellschaftliche Einflüsse ("Schlankheitsideal"). Es kommt zu einer Körperschemastörung; das heißt, die Betroffenen fühlen sich auch bei hochgradigem Untergewicht zu dick und zwingen sich zu weiterer Gewichtsreduktion. Symptome sind ein Gewichtsverlust bis zu 50% des Ausgangsgewichts und als Folge: körperliche Schäden mit Hormonstörungen und Ausbleiben der Menstruation, Muskelschwäche, Kreislaufproblemen und Mangelerscheinungen durch ein Vitamin- und Mineralstoffdefizit. Wegen fehlender Krankheitseinsicht und potenzieller Selbstmordgefahr ist in schweren Fällen eine Behandlung im Krankenhaus notwendig. Erstes Ziel einer Therapie ist die Gewichtszunahme, wobei Nährstoffe auch als Infusion verabreicht werden (können). Anschließend wird eine langfristige Psychotherapie meist unter Einbeziehung der Familie durchgeführt. Etwa ein Drittel der Magersüchtigen erreicht das Normalgewicht, bei ebenso vielen nimmt die Anorexie einen chronischen Verlauf und 10-15% sterben an den Folgen der Krankheit. Wörtlich übersetzt bedeutet Anorexie "Appetitverlust oder -verminderung" - eine irreführende Bezeichnung, da nicht unbedingt der Appetit, sondern in erster Linie das Essverhalten gestört ist. Der Zusatz "nervosa" weist auf die psychischen Ursachen der Essstörung hin. Die Unterscheidung der Anorexie von der anderen bekannten Essstörung, der Bulimie, ist im Einzelfall oft schwierig. Zwar sind beide Krankheitsbilder durch typische Merkmale gekennzeichnet (die Anorexie durch starken Gewichtsverlust, die Bulimie durch das Auftreten von Essanfällen), der Übergang ist jedoch fließend. Gerade ein "Purging-Typ" der Anorexie - charakteristisch sind ein Medikamentenmissbrauch und das Erbrechen - unterscheidet sich nur im Gewichtskriterium von einer Bulimie. Bei vielen Patientinnen tritt eine Mischung von Symptomen auf, man spricht dann von einer Bulimanorexie. Häufigkeit Verändertes Essverhalten Gewichtsverlust
Da bei anorektischen Patienten nur wenig Einsicht hinsichtlich der Schwere ihrer Erkrankung besteht, müssen bei körperlicher Lebensbedrohung oft zunächst Nährstoffe durch Infusion zugeführt werden. So bald wie möglich sollten die Betroffenen die Verantwortung für ihre Gewichtszunahme jedoch selbst übernehmen. Dabei kann es sinnvoll sein, bestimmte Belohnungen abzusprechen, die sie für Erfolge bei der Ernährungsumstellung erhalten. Langfristig kann eine Normalisierung des Gewichts nur erreicht werden, wenn die Ursachen der Anorexie behandelt werden. Auf Grund der vielfältigen Faktoren, die an der Entstehung der Störung beteiligt sind, umfasst die Therapie verschiedene Komponenten: In der Therapie sollen die Patienten überprüfen, inwiefern ihre Vorstellungen zur Bedeutung von Gewicht und Figur richtig bzw. realistisch sind. So kann man eine Betroffene z.B. hinterfragen, ob Schlankheit tatsächlich mit beruflichem und privatem Erfolg im Zusammenhang steht. Hat man auf diesem Weg herausgefunden, was die Betroffenen sich vom Schlanksein erhoffen, kann mit ihnen besprochen werden, auf welche andere Weise sie diese Ziele erreichen können. Sie lernen, dass ihr Selbstwertgefühl nicht allein von ihrem Gewicht abhängt. In den westlichen Industrienationen ist in den letzten Jahrzehnten eine enorme Zunahme der Zahl übergewichtiger Menschen zu beobachten. Allein in Deutschland weist Studien zufolge nur noch etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung ein gesundheitlich wünschenswertes Körpergewicht auf. Besonders besorgniserregend ist der Umstand, dass auch unter Kindern und Jugendlichen vermehrt Übergewicht auftritt. Übergewicht bzw. Fettsucht ist eine chronische Krankheit, die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergeht und zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann. Berechnungen zu Folge würde z.B. die mittlere Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung in den USA um vier Jahre steigen, wenn es gelänge, alle Erwachsenen auf ihr Normalgewicht zu bringen. Eine grundsätzlich erfolgreiche Krebstherapie würde im Vergleich hierzu nur eine Erhöhung der mittleren Lebenserwartung um zwei Jahre bewirken. In Ländern mit ausreichender Versorgung an Nahrungsmitteln entwickelt sich Übergewicht somit zu einem Problem mit erheblicher sozialmedizinischer und sozialpolitischer Bedeutung. Als Berechnungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation dient dabei der so genannte Körpermassenindex (Body Mass Index, BMI), der sich aus dem Körpergewicht in kg geteilt durch die Körpergröße in m zum Quadrat ergibt. Laut Festlegung der Weltgesundheitsorganisation gilt ein BMI von 25-29,9 kg/m2 als Übergewicht und ein BMI von 30 kg/m2 und höher als Adipositas. Kategorie Body Mass Übergewicht geht mit einem erhöhten Risiko für Stoffwechsel- bzw. Herz-Kreislauferkrankungen einher. Um den Grad des individuellen Risikos einschätzen zu können, muss nicht nur das Körpergewicht beurteilt, sondern auch das Fettverteilungsmuster bestimmt werden. Ein einfaches Maß ist hierbei die Schätzung des Bauchfetts durch die Messung des Taillenumfangs. Bei einem Taillenumfang von mehr als 80 cm bei Frauen bzw. mehr als 94 cm bei Männern ist das Risiko für Folgeerkrankungen erhöht. Bei einem Umfang von mehr als 88 cm bei Frauen bzw. mehr als 102 cm bei Männern liegt eine Bauchfettsucht (abdominale Adipositas) mit einem deutlich erhöhten Risiko für Stoffwechsel- bzw. Herz-Kreislauferkrankungen vor. Häufigkeit Ein besonderes Problem ist die Tatsache, dass auch die Zahl übergewichtiger Kinder seit Jahren dramatisch ansteigt. Ursachen Werden Fette und Kohlenhydrate bei einer Mahlzeit in übermäßiger Menge aufgenommen, können die Fette nicht ausreichend abgebaut werden und lagern sich in den so genannten Fettzellen ein. Beim Erwachsenen steigen also mit dem Grad der Fettleibigkeit der Gehalt und damit auch die Größe der Fettzellen an. Gleichzeitig nehmen Anzahl und Empfindlichkeit der so genannten Insulinrezeptoren ("Insulinempfänger") im Fettgewebe ab. Die Fettzellen sprechen nicht mehr so gut auf das Hormon Insulin an und können den durch Nahrungsaufnahme ansteigenden Blutzucker (Glukose) nicht mehr ausreichend verwerten. Das Hungergefühl wächst. Daneben bewirkt die zunehmende Anlagerung von Fett eine starke Wärmeisolierung. Besteht gleichzeitig ein Mangel an körperlicher Bewegung, wird zwar Energie durch die Nahrung aufgenommen, jedoch kaum noch in nennenswerter Weise abgegeben. Bestimmte Hormone, körperliche Bewegung und die Nahrungsmenge haben entscheidenden Einfluss auf die Größe und Anzahl der Fettzellen. Kortison z.B. erhöht die Beladung der Fettzellen, während Androgene die Zahl der Fettzellen reduzieren, ohne das Volumen der Zellen selbst zu beeinflussen. Hungerzustände und körperliche Bewegung verkleinern die Fettzellgröße. Überhaupt scheint im Erwachsenenalter die Anzahl der Fettzellen im Gegensatz zu ihrem Gehalt an Fett kaum noch beeinflussbar zu sein, weshalb die Therapie von Übergewicht bzw. Adipositas häufig sehr schwierig ist und nur durch grundlegende Veränderungen in der Lebensweise langfristig erfolgreich sein kann. Faktoren für eine positive Energiebilanz Mangelnde körperliche Bewegung stellt in der modernen Gesellschaft ein großes Problem dar. Der daraus resultierende geringe Energieverbrauch begünstigt entscheidend die Entstehung von Übergewicht und Adipositas. Psychische Faktoren: Seelische Unausgeglichenheit, Ärger, Ängste, Stress oder Langeweile sind häufig der Auslöser für gestörtes Essverhalten, z.B. für so genannte "Heißhungerattacken" oder "Frustfraß". Genetische Ursachen: Da Übergewicht in bestimmten Familien häufiger vorkommt als in anderen, scheinen genetische Ursachen eine wichtige Rolle bei seiner Entstehung zu spielen. So wird vermutet, dass der individuelle Grundumsatz im Stoffwechsel eines Menschen genetisch festgelegt ist. Dabei handelt es sich um die Anzahl an Kalorien, die im Ruhezustand vom Körper verbraucht werden. Manche Menschen verbrauchen in Ruhe viele Kalorien, so dass sie entsprechend viel essen können, ohne zuzunehmen. Andere dagegen haben nur einen geringen Grundumsatz und nehmen schnell an Körpergewicht zu. Hinsichtlich der Häufung des Auftretens von Übergewicht in bestimmten Familien wird neben genetischen Ursachen jedoch vor allem auch die Weitergabe von Ernährungsgewohnheiten diskutiert. Medikamente wie Glukokortikoide, die Antibabypille, Antidiabetika, Antidepressiva oder Neuroleptika steigern den Appetit und können so zu einer vermehrten Nahrungsaufnahme führen. Erhöhtes Körpergewicht ist die Folge. Hormonelle Erkrankungen: Bestimmte hormonelle Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) oder das so genannte Cushing-Syndrom können ebenfalls zu Übergewicht führen Symptome Diabetes mellitus Stoffwechselstörungen Herz-Kreislauferkrankungen Diagnose Durch den behandelnden Arzt sollte eine eingehende Befragung zur Krankheitsgeschichte und den bisherigen Lebensgewohnheiten (Ernährung, Essverhalten, familiäres und berufliches Umfeld, Bewegungsaktivitäten etc.) erfolgen, um später einen geeigneten Therapieplan erstellen zu können. Verschiedene Untersuchungen wie Blutanalyse, Blutdruckmessung, EKG oder Ultraschall (=Sonographie) von Gallenblase und Leber schließen sich an, um die Ursachen für vorliegendes Übergewicht genau abzugrenzen und festzustellen, ob bereits Folgeerkrankungen vorliegen.
Das Behandlungsziel muss realistisch und dem jeweiligen Einzelfall angemessen abgesteckt werden. Von großer Bedeutung ist es, das Körpergewicht über die eigentliche Phase der Gewichtsabnahme hinaus langfristig zu stabilisieren. Wichtig ist auch, durch entsprechende Maßnahmen eine allmähliche Abnahme des Körpergewichts über einen längeren Zeitraum anzustreben, um die mit der Gewichtsreduzierung einhergehende Belastung für den Organismus möglichst gering zu halten. Zu jedem Zeitpunkt der Behandlung steht es im Vordergrund, die Lebensqualität zu verbessern. Eine erfolgreiche Therapie setzt Kooperationsbereitschaft und Motivation des Betroffenen voraus. In besonders schweren Fällen von Adipositas sollten gezielte Therapieprogramme unter stationären Bedingungen oder in geeigneten Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt werden. Auch Selbsthilfegruppen oder selbstständig durchgeführte Diätmaßnahmen unter ärztlicher Aufsicht sind zu empfehlen. Langfristig kann das Körpergewicht nur in Eigenverantwortung stabil gehalten werden. Der Übergewichtige sollte daher umfassend über die Erkrankung, die damit einhergehenden Risiken und erfolgreiche Behandlungskonzepte informiert sein. Die systematische Behandlung von Übergewicht bzw. Adipositas beruht im Wesentlichen auf den drei Säulen Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Nur in besonderen Fällen müssen zusätzlich medikamentöse oder chirurgische Maßnahmen angewendet werden. Verlauf Die Senkung des Körpergewichts birgt jedoch auch einige Nachteile. So steigt das Risiko für die Bildung von Gallensteinen und zwar umso stärker, je schneller und ausgeprägter die Gewichtsabnahme ist. Bei drastischen Gewichtssenkungen kann die Knochendichte abnehmen. Vor allem Frauen jenseits des 50. Lebensjahrs haben daher ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche, insbesondere Hüftfrakturen. Für die häufige Annahme, dass Diäten bzw. Programme zur Reduktion des Körpergewichts die Entwicklung von Essstörungen fördern sollen, gibt es bisher keinen eindeutigen Beweis.
Begonnen werden muss damit bereits im frühesten Kindesalter. Zielgruppe ist in erster Linie die Familie. Studien zeigen, dass Betreuungsprogramme zu einer langfristigen Gewichtsreduktion übergewichtiger Kinder führen, wenn die Eltern der Kinder in die Verhaltenstherapie mit eingebunden werden. Grundsätzlich wird zur Prophylaxe von Übergewicht ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung, regelmäßigen Mahlzeiten und einer fettarmen, stärke- und ballaststoffreichen Ernährung empfohlen. Bulimie Die Bulimie betrifft in über 90% der Fälle Frauen. In einem Alter von 18-35 Jahren leiden ca. 2,5% der Frauen daran. Die Ursachen reichen von psychischen und familiären Belastungen über biologische Faktoren bis hin zum gesellschaftlichen Schlankheitsideal. Charakteristische Symptome einer Bulimie sind Essanfälle, Depressivität (Selbstvorwürfe nebst Schamgefühl), Erbrechen und dadurch ausgelöste Folgeschäden (Karies, Elektrolytmangel, etc.). Die Patientinnen versuchen, ihre Essstörung geheim zu halten. Im Durchschnitt wird nach fünf Jahren der erste Behandlungsversuch unternommen. Dabei ist zuerst die Normalisierung des Essverhaltens wichtig. Im Anschluss folgt die psychotherapeutische Behandlung der zu Grunde liegenden Ursache. In 40% der Fälle kommt es zu einer deutlichen, in 20% zu einer geringen Besserung; bei den Übrigen erweisen sich Therapien als erfolglos (sog. chronischer Verlauf). Die Bezeichnung "Bulimia nervosa", kurz Bulimie genannt, bedeutet sinngemäß "Ochsenhunger" (der Anhang "nervosa" deutet auf psychische Ursachen hin) und steht für ein Krankheitsbild, das in der Umgangssprache häufig "Ess-Brech-" oder "Fress-Kotz-Sucht" genannt wird. Neben der Anorexia nervosa (besser bekannt als Anorexie oder Magersucht) ist die Bulimie das typischste Beispiel für eine Essstörung. Die Unterscheidung zwischen Anorexie und Bulimie ist oft schwierig. In der Presse werden sie häufig gleichgesetzt, obwohl es sich um unterschiedliche Störungsbilder handelt. Gemeinsam ist beiden Krankheiten, dass bei den Betroffenen eine extreme Angst vor einer Gewichtszunahme besteht. Während jedoch bei der Anorexie starker Gewichtsverlust durch extreme Diät im Vordergrund steht, ist das Hauptmerkmal der Bulimie das wiederholte Auftreten von Essattacken, die von aktiv herbeigeführtem Erbrechen oder der Einnahme von Abführmitteln bzw. harntreibenden Mitteln gefolgt sind. Im Gegensatz zu anorektischen Patientinnen, die äußerlich durch ihr Untergewicht auffallen, liegt das Körpergewicht bei bulimischen Patientinnen meist im Normalbereich. Häufigkeit Gesellschaftliches Schlankheitsideal Lernerfahrungen Symptome Bulimische Frauen beschäftigen sich andauernd und übertrieben mit ihrem Gewicht. Ihre Figur hat für die Patientinnen eine entscheidende Bedeutung für ihr Selbstwertgefühl. Deshalb wird die nach dem Essanfall befürchtete Gewichtszunahme als sehr bedrohlich erlebt und die Betroffenen greifen zu Maßnahmen der Gewichtskontrolle . Dies geschieht meist durch das Herbeiführen des Erbrechens oder durch die Einnahme großer Mengen von Harn treibenden Medikamenten oder Abführmitteln. Zwischen den Anfällen leben die Patienten meist nach einer sehr strengen Diät oder betreiben übermäßig viel Sport. Durch die Aufeinanderfolge von Fressanfällen und Diäten kommt es zu starken Gewichtsschwankungen. Im Durchschnitt bleibt das Gewicht bulimischer Patientinnen jedoch meist im Normalbereich. Gezügeltes Essen Belohnende Konsequenzen des Erbrechens Diagnose
Zunächst ist es unumgänglich, eine Veränderung des Essverhaltens herbeizuführen, um einer weiteren Verschlechterung der gesundheitlichen Situation entgegen zu wirken und eine Rückbildung der biologischen Funktionsstörungen zu erreichen. Diese Funktionsstörungen werden hauptsächlich durch die Mangelernährung während der Diätphasen zwischen den Heißhungeranfällen verursacht. Hauptziel des so genannten "Ernährungsmanagements" ist es, das alltägliche Essverhalten zu normalisieren. Dabei wird nicht nur auf eine ausreichende Kalorienzufuhr, sondern auch auf eine angemessene Nahrungszusammensetzung und zeitliche Verteilung der Nahrungsaufnahme geachtet. Um dies zu erreichen, wird zunächst das Essverhalten der Patientin untersucht. Danach wird die Betroffene über die biologischen und psychologischen Konsequenzen der Mangelernährung aufgeklärt. In einer abschließenden Übungsphase wird die Patientin angeleitet, ihre Nahrungsaufnahme zu strukturieren. Häufig ist beim Ernährungsmanagement eine starke Kontrolle der Patientin notwendig, da die Betroffenen sich zwar oft scheinbar auf die Ernährungsumstellung einlassen, aus Angst vor einer Gewichtszunahme aber heimlich ein Erbrechen herbeiführen. Es ist deshalb auch erfolgsversprechend, z.B. mit der Patientin auszumachen, dass sie sich für das Einhalten der Therapie selber belohnt. Ausgehend von der Annahme, dass Bulimie Ausdruck einer tieferliegenden Ursache, wie z.B. eines mangelnden Selbstwertgefühls ist, erscheint es notwendig, dass die Behandlung sich nicht allein auf die Normalisierung der Symptomatik, d.h. des Essverhaltens, und der ernährungsbedingten Verfassung beschränkt. Wichtig ist es auch, den Betroffenen zu helfen, sich von einer Gewöhnung an ihr krankhaftes Verhalten zu lösen. Zur langfristigen Behandlung der Bulimie werden verschiedene Methoden angewandt: Verlauf Als Konsequenz des häufigen Erbrechens treten medizinische Probleme auf. Es kommt häufig zu Kaliummangel, der zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Darüber hinaus treten Entzündungen der Speiseröhre, Magenwandschädigungen, Schwellungen der Ohrspeicheldrüsen, oft erhebliche Schädigungen des Zahnschmelzes und Veränderung an Haut und Haaren auf. Durch das Einführen des Fingers oder von Fremdkörpern, um Erbrechen herbeizuführen, kann die Mundhöhle verletzt werden, außerdem besteht Erstickungsgefahr, wenn der Mageninhalt in die Luftröhre gelangt. Durch dem Missbrauch von Harn treibenden und abführenden Mittel kommt es, neben dem erwähnten Kaliummangel, zu schweren Störungen des Mineralstoffwechsels. Häufig leiden bulimische Patientinnen unter Unterernährung, die u.a. zu Störungen des Hormonsystems führt. Konsequenzen sind häufig Ausbleiben der Menstruation, Unfruchtbarkeit, Energiemangel und Kälteempfindlichkeit. Hinzu kommen finanzielle Schwierigkeiten, bedingt durch den großen Nahrungsmittelkonsum und die Ausgaben für Abführmittel. Bei bis zu 50% der bulimischen Frauen treten, vermutlich als Folge der Essstörung, depressive Symptome auf. Stimmungslabilität, Schuldgefühle und Suizidgedanken werden häufig im Zusammenhang mit den Ess- und Brechanfällen beobachtet. So ist z.B. das Gefühl der Erleichterung nach dem Erbrechen nur von kurzer Dauer und wird von Niedergeschlagenheit gefolgt. Essanfälle lösen häufig Selbstvorwürfe, sich selbst nicht genug unter Kontrolle zu haben, aus. |