Energiebilanz und Essstörungen

Gesunde Energiebilanz
Um richtig funktionieren zu können, benötigt der menschliche Körper Energie. Eine Voraussetzung, um leben zu können und aktiv zu sein, bildet die ausreichende Versorgung des Körpers mit Nahrungsmitteln als Energielieferanten. Es wird empfohlen, 50–55% der täglichen Energiezufuhr über Kohlenhydrate aufzunehmen und etwa 20% über Proteine. Der Fettanteil in der Nahrung sollte 30% nicht übersteigen.

Der vom Körper verwertbare Energiegehalt der Nahrung lässt sich in Kilokalorien (kcal) oder Kilojoule (kJ) angeben. Das Wort Kalorie leitet sich von dem lateinischen Wort "calor" für Wärme ab. Dabei entspricht eine Kilokalorie genau der Energiemenge, die man braucht, um ein Liter Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen.

1 Kilokalorie (kcal) = 4,184 Kilojoule (kJ)
1 Kilojoule (kJ) = 0,239 Kilokalorien (kcal)

Die vom Körper verwertbaren Nährstoffe unterscheiden sich stark in ihrem Energiegehalt:

1 g Protein: 17 KJ / 4 kcal
1 g Kohlenhydrate: 17 KJ / 4 kcal
1 g Fett: 37 KJ / 9 kcal
1 g Alkohol: 29 KJ / 7 kcal

 
 

Weitere Nahrungsstoffe sind Vitamine, Mineralien, Spurenelemente sowie Ballaststoffe. Bei den Vitaminen lässt sich zwischen fettlöslichen und wasserlöslichen Vitaminen unterscheiden. Viele Vitamine kann der Körper nicht oder nur in bestimmten Vorstufen bilden. Diese sog. essentiellen Vitamine sind für eine ganze Reihe von Stoffwechselvorgängen von großer Bedeutung und müssen dem Körper zugeführt werden.

Einteilung des Energiebedarfs
Der Energiebedarf des Menschen lässt sich in Grundumsatz und Leistungsumsatz gliedern. Gemeinsam bilden sie den Gesamtumsatz - das ist die Energiemenge, die der Körper verbraucht.

Als Grundumsatz bezeichnet man die Energiemenge, die der Körper bei völliger Ruhe und gleichbleibender Umgebungstemperatur benötigt, um die lebensnotwendigen Funktionen wie Atmung, Stoffwechsel, Kreislauf und richtige Körpertemperatur 24 Stunden lang aufrecht zu erhalten. Körperbau, Gewicht, Größe, Alter und Geschlecht beeinflussen den individuellen Grundumsatz; er hängt ab vom prozentualen Verhältnis zwischen Muskelmasse und Körperfett. Weil Männer mehr fettfreie Körpermasse besitzen als Frauen, liegt ihr Grundumsatz durchschnittlich 10% höher. Doch auch der Hormonhaushalt, Stress, Fieber, Medikamente sowie klimatische Verhältnisse beeinflussen den Grundumsatz. Vereinfacht lässt sich der ungefähre Grundumsatz berechnen, indem man das Körpergewicht in kg mit 24 Stunden, also der Dauer eines Tages, multipliziert. Um das Alter einzubeziehen, multipliziert man diesen Wert wiederum mit einem bestimmen Faktor für jede Altersklasse.

Der Leistungsumsatz beinhaltet die Energie, die der Körper innerhalb von 24 Stunden über den Grundumsatz hinaus verbraucht, bei körperlicher und geistiger Aktivität, zur Wärmeregulation bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen, gegebenenfalls für Schwangerschaft, Stillen, Wachstum oder Regeneration nach Krankheiten oder Verletzungen. Mit zusätzlicher körperlicher Aktivität lässt sich der Leistungsumsatz erheblich steigern. Der Berechnung des Leistungsumsatzes dient der PAL (Physical Activity Level) als Maß für die körperliche Aktivität. Beim Schlafen beispielsweise verbraucht der Körper wenig Energie, der PAL liegt bei 0,95. Wer tagsüber im Büro sitzt und sich nicht viel bewegt, dessen PAL ist etwa 1,4. Menschen, die körperlich sehr anstrengende Arbeit verrichten, wie z.B. Bauarbeiter, haben einen deutlich höheren Wert (2,0 bis 2,4). Doch auch Freizeitaktivitäten gehören zum Leistungsumsatz dazu. Außerdem haben Schwangere und Stillende einen erhöhten PAL. Zur Berechnung des individuellen täglichen Energiebedarfs wird ein Tag in je 8 Stunden Schlaf, Arbeit sowie Freizeit eingeteilt, jeweils mit eigenem PAL. Der daraus hervorgehende Mittelwert beschreibt den Faktor der körperlichen Aktivität beim Leistungsumsatz (PAL gesamt = [PAL Arbeit + PAL Freizeit + PAL Schlaf] / 3). Wer täglich 30 bis 60 Minuten intensiv Sport treibt, erhöht damit seinen PAL um weitere 0,3 Punkte.

Der Gesamtumsatz setzt sich zusammen aus Grund- und Leistungsumsatz pro Tag. Bei üblicher körperlicher Belastung stellt dabei der Grundumsatz den größten Teil des Energieverbrauchs dar. Der individuelle Gesamtumsatz ergibt sich durch Multiplikation von Gesamtumsatz mit PAL.

Magersucht
Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine krankhafte Essstörung, die durch starken Gewichtsverlust gekennzeichnet ist und sich dadurch von der "Ess-Brech-Sucht" (Bulimie) unterscheidet. Meist sind junge Frauen in der Pubertät betroffen.

Etwa 1% der Frauen und 0,1% der Männer im Alter von 15 bis 25 Jahren leiden an Anorexie. Die Ursachen der Magersucht sind vielfältig. Sie basieren auf genetischen Faktoren, psychischen Belastungen in der Pubertät - durch Veränderung des Körpers und ungelöste familiäre Konflikte - sowie gesellschaftliche Einflüsse ("Schlankheitsideal"). Es kommt zu einer Körperschemastörung; das heißt, die Betroffenen fühlen sich auch bei hochgradigem Untergewicht zu dick und zwingen sich zu weiterer Gewichtsreduktion.

Symptome sind ein Gewichtsverlust bis zu 50% des Ausgangsgewichts und als Folge: körperliche Schäden mit Hormonstörungen und Ausbleiben der Menstruation, Muskelschwäche, Kreislaufproblemen und Mangelerscheinungen durch ein Vitamin- und Mineralstoffdefizit. Wegen fehlender Krankheitseinsicht und potenzieller Selbstmordgefahr ist in schweren Fällen eine Behandlung im Krankenhaus notwendig.

Erstes Ziel einer Therapie ist die Gewichtszunahme, wobei Nährstoffe auch als Infusion verabreicht werden (können). Anschließend wird eine langfristige Psychotherapie meist unter Einbeziehung der Familie durchgeführt. Etwa ein Drittel der Magersüchtigen erreicht das Normalgewicht, bei ebenso vielen nimmt die Anorexie einen chronischen Verlauf und 10-15% sterben an den Folgen der Krankheit.

Mit Ausnahme der Depression wird kaum eine andere psychische Störung so häufig in der Presse erwähnt wie die Magersucht. Immer wieder wird von "Berühmtheiten", insbesondere von Models oder Schauspielerinnen behauptet, sie seien magersüchtig. Das Krankheitsbild der Anorexia nervosa ist erstmals 1873 beschrieben worden. Diese Diagnose wird aber erst seit den 70-er Jahren häufiger gestellt; wobei nicht eindeutig gesagt werden kann, ob die Krankheit in der heutigen Gesellschaft tatsächlich häufiger auftritt, oder ob die gestiegene Aufmerksamkeit dazu führt, dass die Krankheit häufiger diagnostiziert wird.

Wörtlich übersetzt bedeutet Anorexie "Appetitverlust oder -verminderung" - eine irreführende Bezeichnung, da nicht unbedingt der Appetit, sondern in erster Linie das Essverhalten gestört ist. Der Zusatz "nervosa" weist auf die psychischen Ursachen der Essstörung hin.

Die Unterscheidung der Anorexie von der anderen bekannten Essstörung, der Bulimie, ist im Einzelfall oft schwierig. Zwar sind beide Krankheitsbilder durch typische Merkmale gekennzeichnet (die Anorexie durch starken Gewichtsverlust, die Bulimie durch das Auftreten von Essanfällen), der Übergang ist jedoch fließend. Gerade ein "Purging-Typ" der Anorexie - charakteristisch sind ein Medikamentenmissbrauch und das Erbrechen - unterscheidet sich nur im Gewichtskriterium von einer Bulimie. Bei vielen Patientinnen tritt eine Mischung von Symptomen auf, man spricht dann von einer Bulimanorexie.

Häufigkeit
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung tritt die Anorexie jedoch selten auf. Bei Frauen in der Altersspanne vom 15. bis zum 25. Lebensjahr, die als Risikogruppe für Magersucht gelten, findet sich die Erkrankung bei etwa 1% der Betroffenen. Es sei erwähnt, dass nur etwa 5-10% der Erkrankten männlich sind. Anorexie beginnt oft in der frühen Jugend, häufig kurz nach dem Einsetzen der ersten Menstruation. Neben diesem Häufigkeitsgipfel um das 14. Lebensjahr tritt die Störung auch etwa im 18. Lebensjahr gehäuft auf.
Körperschema-Störung
Bei anorektischen Personen kommt es zu einer Störung der Wahrnehmung ihres eigenen Körpers. Auch wenn sie im Laufe der Erkrankung schon extrem viel Gewicht verloren haben, überschätzen sie ihren Körperumfang und halten sich für zu dick.

Verändertes Essverhalten
Infolge der verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers, bemühen die Betroffenen sich, ihr vermeintlich zu hohes Gewicht zu reduzieren. Zu diesem Zweck nehmen sie nur geringe Mengen an Nahrung zu sich und vermeiden Lebensmittel, die viele Kalorien enthalten. Manche Betroffene verweigern zeitweise die Nahrungsaufnahme komplett. Häufig nimmt das Essen einen zentralen Stellenwert im Leben der Betroffenen ein. Sie verwenden viel Energie darauf, Hungergefühle zu unterdrücken oder bereiten mit großem Eifer wahre Festmahle für andere zu, an denen sie aber selbst nicht teilnehmen. In Hinblick auf die Veränderungen des Essverhaltens lassen sich zwei Personengruppen unterscheiden: Etwa 50% der Patienten halten ausschließlich Diät, bei den anderen treten bulimische Symptome hinzu (Essanfälle und selbst herbeigeführtes Erbrechen). Bei Betroffenen, die zur letzten Gruppe gehören, beginnt die Störung meist später. Sie haben vor der Erkrankung ein höheres Gewicht, die Körperschema-Störung ist meist stärker ausgeprägt und sie sind häufiger depressiv als Betroffene mit einer rein anorektischen Symptomatik.

Gewichtsverlust
Neben der strengen Diät setzen viele Anorektiker zusätzlich Appetitzügler, Abführmittel und sportliche Betätigung ein, um abzunehmen. Durchschnittlich verlieren die Patienten 45-50% ihres Ausgangsgewichts. Liegt das Körpergewicht um mindestens 15% niedriger als das Normalgewicht (Body-Mass-Index unter 17,5), wird die Diagnose der Anorexie gestellt. Viele Betroffene magern bis auf 30-40 Kilogramm ab.


Therapie
Die Therapie der Anorexie ist in zwei Abschnitte unterteilt. Vordringlichstes Anliegen ist eine Gewichtszunahme, um den körperlichen Folgeschäden entgegen zu wirken. Insbesondere wenn das Körpergewicht unter 75% des Normalgewichts liegt, die körperliche Verfassung lebensbedrohlich ist oder wegen der Depression Selbstmordgefahr besteht, sollte die Behandlung zunächst im Krankenhaus stattfinden.

Da bei anorektischen Patienten nur wenig Einsicht hinsichtlich der Schwere ihrer Erkrankung besteht, müssen bei körperlicher Lebensbedrohung oft zunächst Nährstoffe durch Infusion zugeführt werden. So bald wie möglich sollten die Betroffenen die Verantwortung für ihre Gewichtszunahme jedoch selbst übernehmen. Dabei kann es sinnvoll sein, bestimmte Belohnungen abzusprechen, die sie für Erfolge bei der Ernährungsumstellung erhalten.

Langfristig kann eine Normalisierung des Gewichts nur erreicht werden, wenn die Ursachen der Anorexie behandelt werden. Auf Grund der vielfältigen Faktoren, die an der Entstehung der Störung beteiligt sind, umfasst die Therapie verschiedene Komponenten:

In der Therapie sollen die Patienten überprüfen, inwiefern ihre Vorstellungen zur Bedeutung von Gewicht und Figur richtig bzw. realistisch sind. So kann man eine Betroffene z.B. hinterfragen, ob Schlankheit tatsächlich mit beruflichem und privatem Erfolg im Zusammenhang steht. Hat man auf diesem Weg herausgefunden, was die Betroffenen sich vom Schlanksein erhoffen, kann mit ihnen besprochen werden, auf welche andere Weise sie diese Ziele erreichen können. Sie lernen, dass ihr Selbstwertgefühl nicht allein von ihrem Gewicht abhängt.
In einer körperorientierten Therapie sollen die Betroffene ein besseres Gefühl für ihren Körper bekommen, so dass sie auf ihre Körpersignale (z.B. Hunger) angemessen reagieren und ihren Körperumfang realistisch einschätzen können.
Generell soll mit anorektischen Personen die Bewältigung von Problemen geübt werden. Dabei werden gemeinsam mit den Patienten verschiedene Lösungsalternativen entwickelt. Diese können sie bei alltäglichen Schwierigkeiten anwenden, bei denen sie sonst auf ihr gestörtes Essverhalten als Mittel der Bewältigung zurückgegriffen haben.
Die familienorientierte Therapie wird insbesondere bei jüngeren Anorektikern eingesetzt, die noch in ihrer Familie wohnen. Die Familie soll darauf hingewiesen werden, wie sie auf das gestörte Essverhalten der/des Anorexie-Kranken reagiert. In diesem Zusammenhang kann es hilfreich sein, wenn der Therapeut an Mahlzeiten in der Familie teilnimmt. Manchmal beschäftigen die Familienmitglieder sich so stark mit der Anorexie, dass sie sich um andere Probleme nicht mehr kümmern können oder wollen. Die Betroffenen erhalten auf diese Weise die ungeteilte Aufmerksamkeit - und die Familienmitglieder müssen sich nicht mit sich und ihren eigenen Konflikten beschäftigen. Wird diese Reaktionsweise, die zu der Aufrechterhaltung der Störung beitragen kann, unterbrochen, tritt häufig eine Besserung ein. Gerade die Eltern erleben es meist als sehr erleichternd, wenn sie im Umgang mit der Erkrankung ihres Kindes von einem Therapeuten unterstützt werden.

Übergewicht
In den westlichen Industrienationen ist in den letzten Jahrzehnten eine enorme Zunahme der Zahl übergewichtiger Menschen zu beobachten. Allein in Deutschland weist Studien zufolge nur noch etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung ein gesundheitlich wünschenswertes Körpergewicht auf. Besonders besorgniserregend ist der Umstand, dass auch unter Kindern und Jugendlichen vermehrt Übergewicht auftritt.

Übergewicht bzw. Fettsucht ist eine chronische Krankheit, die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergeht und zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann. Berechnungen zu Folge würde z.B. die mittlere Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung in den USA um vier Jahre steigen, wenn es gelänge, alle Erwachsenen auf ihr Normalgewicht zu bringen. Eine grundsätzlich erfolgreiche Krebstherapie würde im Vergleich hierzu nur eine Erhöhung der mittleren Lebenserwartung um zwei Jahre bewirken. In Ländern mit ausreichender Versorgung an Nahrungsmitteln entwickelt sich Übergewicht somit zu einem Problem mit erheblicher sozialmedizinischer und sozialpolitischer Bedeutung.


Definition
Von Übergewicht, ab einem bestimmten Grad auch Fettsucht (lat. Adipositas) oder Fettleibigkeit genannt, spricht man, wenn das Körperfett sich über das Normalmaß hinausgehend vermehrt und sich so das Körpergewicht erhöht.

Als Berechnungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation dient dabei der so genannte Körpermassenindex (Body Mass Index, BMI), der sich aus dem Körpergewicht in kg geteilt durch die Körpergröße in m zum Quadrat ergibt. Laut Festlegung der Weltgesundheitsorganisation gilt ein BMI von 25-29,9 kg/m2 als Übergewicht und ein BMI von 30 kg/m2 und höher als Adipositas.

Kategorie Body Mass
Index (BMI) Risiko für
Begleiterkrankungen
Untergewicht < 18.5 niedrig
Normalgewicht 18.5-24.9 durchschnittlich
Präadipositas 25-29.9 gering erhöht
Adipositas Grad I 30-34.5 erhöht
Adipositas Grad II 35-39.9 hoch
Adipositas Grad III 40 und höher sehr hoch

Übergewicht geht mit einem erhöhten Risiko für Stoffwechsel- bzw. Herz-Kreislauferkrankungen einher. Um den Grad des individuellen Risikos einschätzen zu können, muss nicht nur das Körpergewicht beurteilt, sondern auch das Fettverteilungsmuster bestimmt werden.

Ein einfaches Maß ist hierbei die Schätzung des Bauchfetts durch die Messung des Taillenumfangs. Bei einem Taillenumfang von mehr als 80 cm bei Frauen bzw. mehr als 94 cm bei Männern ist das Risiko für Folgeerkrankungen erhöht. Bei einem Umfang von mehr als 88 cm bei Frauen bzw. mehr als 102 cm bei Männern liegt eine Bauchfettsucht (abdominale Adipositas) mit einem deutlich erhöhten Risiko für Stoffwechsel- bzw. Herz-Kreislauferkrankungen vor.

Häufigkeit
Übergewicht ist in den westlichen Industrieländern eine besonders häufige Erkrankung, wobei die Anzahl der Neuerkrankungen seit Jahrzehnten kontinuierlich steigt. Schätzungen zu Folge weisen etwa 18-25 % der Deutschen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren einen Body Mass Index (BMI) von über 30 auf und gelten somit als adipös. Bei 1-2 % liegt der BMI sogar bei 40 und höher. 30-49 % haben einen BMI zwischen 25 und 29,9, sind also mäßig übergewichtig. Damit hat nur noch etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ein Körpergewicht, das nicht mit erhöhten Krankheitsrisiken verbunden ist. Im jüngeren Lebensalter sind eher Männer von Übergewicht betroffen, ab dem vierzigsten Lebensjahr überwiegt der Anteil der Frauen.

Ein besonderes Problem ist die Tatsache, dass auch die Zahl übergewichtiger Kinder seit Jahren dramatisch ansteigt.

Ursachen
Grundsätzlich steigt das Körpergewicht dann, wenn dem Körper mehr Energie in Form von Kalorien zugeführt wird, als er verbrauchen kann. In diesem Fall wird von einer positiven Energiebilanz gesprochen.

Werden Fette und Kohlenhydrate bei einer Mahlzeit in übermäßiger Menge aufgenommen, können die Fette nicht ausreichend abgebaut werden und lagern sich in den so genannten Fettzellen ein. Beim Erwachsenen steigen also mit dem Grad der Fettleibigkeit der Gehalt und damit auch die Größe der Fettzellen an. Gleichzeitig nehmen Anzahl und Empfindlichkeit der so genannten Insulinrezeptoren ("Insulinempfänger") im Fettgewebe ab. Die Fettzellen sprechen nicht mehr so gut auf das Hormon Insulin an und können den durch Nahrungsaufnahme ansteigenden Blutzucker (Glukose) nicht mehr ausreichend verwerten. Das Hungergefühl wächst.

Daneben bewirkt die zunehmende Anlagerung von Fett eine starke Wärmeisolierung. Besteht gleichzeitig ein Mangel an körperlicher Bewegung, wird zwar Energie durch die Nahrung aufgenommen, jedoch kaum noch in nennenswerter Weise abgegeben.

Bestimmte Hormone, körperliche Bewegung und die Nahrungsmenge haben entscheidenden Einfluss auf die Größe und Anzahl der Fettzellen. Kortison z.B. erhöht die Beladung der Fettzellen, während Androgene die Zahl der Fettzellen reduzieren, ohne das Volumen der Zellen selbst zu beeinflussen. Hungerzustände und körperliche Bewegung verkleinern die Fettzellgröße. Überhaupt scheint im Erwachsenenalter die Anzahl der Fettzellen im Gegensatz zu ihrem Gehalt an Fett kaum noch beeinflussbar zu sein, weshalb die Therapie von Übergewicht bzw. Adipositas häufig sehr schwierig ist und nur durch grundlegende Veränderungen in der Lebensweise langfristig erfolgreich sein kann.

Faktoren für eine positive Energiebilanz
Essverhalten: In Ländern mit ausreichender Nahrungsversorgung nehmen Menschen oft erheblich mehr Kalorien zu sich, als sie für die Deckung ihres Energiebedarfs benötigen. Grund hierfür ist die Zusammensetzung der aufgenommenen Nahrung mit einem übermäßigen Anteil an Fetten und Kohlenhydraten und einem geringen Gehalt an Ballaststoffen. Unterschätzt wird häufig auch der Energiegehalt der zugenommenen Getränke wie Fruchtsäfte oder Bier. Darüber hinaus spielen Störungen im Essverhalten eine bedeutende Rolle. Einige Übergewichtige essen häufiger und vor allem schneller als normalgewichtige Menschen. Bei der Nahrungsaufnahme werden durch die Dehnung des Magens nervaler Impulse an das Gehirn ausgesendet, die das Sättigungsgefühl herbeiführen. Wird zu schnell gegessen, stellt sich dieses Sättigungsgefühl erst ein, wenn bereits mehr Nahrung als eigentlich benötigt aufgenommen wurde.

Mangelnde körperliche Bewegung stellt in der modernen Gesellschaft ein großes Problem dar. Der daraus resultierende geringe Energieverbrauch begünstigt entscheidend die Entstehung von Übergewicht und Adipositas.

Psychische Faktoren: Seelische Unausgeglichenheit, Ärger, Ängste, Stress oder Langeweile sind häufig der Auslöser für gestörtes Essverhalten, z.B. für so genannte "Heißhungerattacken" oder "Frustfraß".

Genetische Ursachen: Da Übergewicht in bestimmten Familien häufiger vorkommt als in anderen, scheinen genetische Ursachen eine wichtige Rolle bei seiner Entstehung zu spielen. So wird vermutet, dass der individuelle Grundumsatz im Stoffwechsel eines Menschen genetisch festgelegt ist. Dabei handelt es sich um die Anzahl an Kalorien, die im Ruhezustand vom Körper verbraucht werden. Manche Menschen verbrauchen in Ruhe viele Kalorien, so dass sie entsprechend viel essen können, ohne zuzunehmen. Andere dagegen haben nur einen geringen Grundumsatz und nehmen schnell an Körpergewicht zu. Hinsichtlich der Häufung des Auftretens von Übergewicht in bestimmten Familien wird neben genetischen Ursachen jedoch vor allem auch die Weitergabe von Ernährungsgewohnheiten diskutiert.

Medikamente wie Glukokortikoide, die Antibabypille, Antidiabetika, Antidepressiva oder Neuroleptika steigern den Appetit und können so zu einer vermehrten Nahrungsaufnahme führen. Erhöhtes Körpergewicht ist die Folge.

Hormonelle Erkrankungen: Bestimmte hormonelle Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) oder das so genannte Cushing-Syndrom können ebenfalls zu Übergewicht führen

Symptome
Übergewicht bzw. Adipositas erhöhen das Risiko für die Ausbildung verschiedenster Erkrankungen und gehen daher mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung einher.

Diabetes mellitus
Bei dauerhaft überreicher Ernährung sinken durch das Überangebot an Glukose und den damit verbundenen chronisch erhöhten Insulinspiegel Sensibilität und Anzahl der Insulinrezeptoren an den Körperzellen. Das freigesetzte Insulin reicht somit nicht mehr aus, um den Glukoseüberschuss abzubauen, weshalb der Körper unter einem relativen Insulinmangel leidet und neues Insulin bilden muss. Die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse werden über längere Zeit vermehrt beansprucht, was schließlich zu ihrer Erschöpfung und damit zur Ausbildung eines so genannten insulinresistenten Diabetes mellitus vom Typ II führt.

Stoffwechselstörungen
Übergewicht verursacht Veränderungen im Fettstoffwechsel, wobei es zu einem Überangebot von Cholesterin und Triglyceriden im Blut kommt. Die Konzentration von so genanntem HDL-Lipoprotein, das für den Abtransport von Cholesterin aus dem Körpergewebe in die Leber verantwortlich ist und auf diese Weise dessen Abbau unterstützt, sinkt. Die Konzentration an LDL-Lipoprotein dagegen steigt an. LDL enthält besonders viel Cholesterin und begünstigt eine Schädigung der Blutgefäßwände in Form von Verkalkung (Arteriosklerose). Weitere Folgen chronisch erhöhter Blutfettwerte sind eine Verfettung der Leber (Fettleber) und die Bildung von Gallensteinen. Störungen im so genannten Purinstoffwechsel mit einer Steigerung der Harnsäurekonzentration bewirken die Entstehung von Gicht.

Herz-Kreislauferkrankungen
Übergewicht stellt für das Herz-Kreislaufsystem eine starke Belastung dar. Folgeerscheinungen wie Diabetes mellitus und Störungen im Fettstoffwechsel führen zur Schädigung der Blutgefäße (Arteriosklerose) und begünstigen somit die Entstehung von Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzerkrankungen wie koronarer Herzkrankheit (Angina pectoris) oder Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz).

Diagnose
Jeder kann durch einen Blick auf die Waage, die Berechnung seines Body Mass Index (BMI) und die Erfassung seines Taillenumfangs selbst feststellen, ob er übergewichtig ist oder nicht.

Durch den behandelnden Arzt sollte eine eingehende Befragung zur Krankheitsgeschichte und den bisherigen Lebensgewohnheiten (Ernährung, Essverhalten, familiäres und berufliches Umfeld, Bewegungsaktivitäten etc.) erfolgen, um später einen geeigneten Therapieplan erstellen zu können. Verschiedene Untersuchungen wie Blutanalyse, Blutdruckmessung, EKG oder Ultraschall (=Sonographie) von Gallenblase und Leber schließen sich an, um die Ursachen für vorliegendes Übergewicht genau abzugrenzen und festzustellen, ob bereits Folgeerkrankungen vorliegen.


Therapie
Eine Expertenempfehlung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft legt fest, bei welchem Übergewicht eine medizinische Behandlung erfolgen sollte. Beträgt der berechnete BMI 30 kg/m2 oder mehr, sollte in jedem Fall durch geeignete Maßnahmen versucht werden, das Körpergewicht zu senken, um das Risiko für Folgeerkrankungen zu minimieren. Besteht geringes Übergewicht (BMI 25-29,9), ist dieses nur dann behandlungsbedürftig, wenn gleichzeitig übergewichtsbedingte Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II oder Bluthochdruck vorliegen, wenn Erkrankungen bestehen, die sich durch Übergewicht verschlimmern, wenn der Betroffene ein abdominales Fettverteilungsmuster (Taillenumfang von mehr als 88 cm bei Frauen und von mehr als 102 cm bei Männern) aufweist oder wenn er auf Grund seines Übergewichts unter hohem psychosozialen Druck leidet.

Das Behandlungsziel muss realistisch und dem jeweiligen Einzelfall angemessen abgesteckt werden. Von großer Bedeutung ist es, das Körpergewicht über die eigentliche Phase der Gewichtsabnahme hinaus langfristig zu stabilisieren. Wichtig ist auch, durch entsprechende Maßnahmen eine allmähliche Abnahme des Körpergewichts über einen längeren Zeitraum anzustreben, um die mit der Gewichtsreduzierung einhergehende Belastung für den Organismus möglichst gering zu halten. Zu jedem Zeitpunkt der Behandlung steht es im Vordergrund, die Lebensqualität zu verbessern.

Eine erfolgreiche Therapie setzt Kooperationsbereitschaft und Motivation des Betroffenen voraus. In besonders schweren Fällen von Adipositas sollten gezielte Therapieprogramme unter stationären Bedingungen oder in geeigneten Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt werden. Auch Selbsthilfegruppen oder selbstständig durchgeführte Diätmaßnahmen unter ärztlicher Aufsicht sind zu empfehlen. Langfristig kann das Körpergewicht nur in Eigenverantwortung stabil gehalten werden. Der Übergewichtige sollte daher umfassend über die Erkrankung, die damit einhergehenden Risiken und erfolgreiche Behandlungskonzepte informiert sein.

Die systematische Behandlung von Übergewicht bzw. Adipositas beruht im Wesentlichen auf den drei Säulen Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Nur in besonderen Fällen müssen zusätzlich medikamentöse oder chirurgische Maßnahmen angewendet werden.

Verlauf
Verschiedene Studien zeigen, dass eine Senkung des Körpergewichts bei Übergewicht erhebliche Vorteile bringt. So kann das Risiko für die Ausbildung von Diabetes mellitus Typ II um mehr als 30 % und für die Entwicklung bösartiger Tumoren um mehr als 40 % gesenkt werden. Bei einer Reduktion des Körpergewichts um 10 kg sinkt der Blutdruck bei Patienten mit chronischem Bluthochdruck um 7 mm Hg systolisch und 3 mm Hg diastolisch. Auch das Risiko für die Entstehung eines chronischen Bluthochdrucks lässt sich durch Gewichtsabnahme verringern. Bei einer Abnahme von 10 kg sinkt der Spiegel an Gesamtcholesterin um durchschnittlich 10 %, an LDL-Lipoprotein ("schlechtes" Cholesterin) um 15 % und an Triglyceriden um 30 %. Die Konzentration an HDL-Lipoprotein ("gutes" Cholesterin) steigt dagegen um 8%. Insgesamt ist eine um bis zu 20 % verminderte Sterblichkeit zu beobachten.

Die Senkung des Körpergewichts birgt jedoch auch einige Nachteile. So steigt das Risiko für die Bildung von Gallensteinen und zwar umso stärker, je schneller und ausgeprägter die Gewichtsabnahme ist. Bei drastischen Gewichtssenkungen kann die Knochendichte abnehmen. Vor allem Frauen jenseits des 50. Lebensjahrs haben daher ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche, insbesondere Hüftfrakturen. Für die häufige Annahme, dass Diäten bzw. Programme zur Reduktion des Körpergewichts die Entwicklung von Essstörungen fördern sollen, gibt es bisher keinen eindeutigen Beweis.


Vorbeugen
Die Behandlung von Übergewicht gestaltet sich mit zunehmender Dauer und Ausprägung der Erkrankung immer schwieriger. In manchen Fällen ist es nicht mehr möglich, übergewichtsbedingte Folgeerkrankungen zu heilen, indem das Körpergewicht gesenkt wird. Darüber hinaus stellt die Adipositas in den westlichen Industrieländern mittlerweile eine erhebliche sozialökonomische Belastung dar. Aus diesem Grund sollten sowohl von Seiten der Gesundheitspolitik als auch von Seiten der Bevölkerung alle Anstrengungen unternommen werden, eine Entstehung von Übergewicht zu verhindern.

Begonnen werden muss damit bereits im frühesten Kindesalter. Zielgruppe ist in erster Linie die Familie. Studien zeigen, dass Betreuungsprogramme zu einer langfristigen Gewichtsreduktion übergewichtiger Kinder führen, wenn die Eltern der Kinder in die Verhaltenstherapie mit eingebunden werden. Grundsätzlich wird zur Prophylaxe von Übergewicht ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung, regelmäßigen Mahlzeiten und einer fettarmen, stärke- und ballaststoffreichen Ernährung empfohlen.

Bulimie
In der Umgangssprache kennt man sie als Ess-Brech-Sucht: die Bulimie, eine Essstörung mit Heißhungerattacken bzw. Essanfällen und anschließend selbstausgelöstem Erbrechen sowie Missbrauch von Medikamenten, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Im Gegensatz zur Magersucht (Anorexia nervosa) sind die Betroffenen meist normalgewichtig. Bei der Variante "Binge Eating" handelt es sich um Essattacken ohne das für Bulimiker typische Erbrechen.

Die Bulimie betrifft in über 90% der Fälle Frauen. In einem Alter von 18-35 Jahren leiden ca. 2,5% der Frauen daran. Die Ursachen reichen von psychischen und familiären Belastungen über biologische Faktoren bis hin zum gesellschaftlichen Schlankheitsideal. Charakteristische Symptome einer Bulimie sind Essanfälle, Depressivität (Selbstvorwürfe nebst Schamgefühl), Erbrechen und dadurch ausgelöste Folgeschäden (Karies, Elektrolytmangel, etc.).

Die Patientinnen versuchen, ihre Essstörung geheim zu halten. Im Durchschnitt wird nach fünf Jahren der erste Behandlungsversuch unternommen. Dabei ist zuerst die Normalisierung des Essverhaltens wichtig. Im Anschluss folgt die psychotherapeutische Behandlung der zu Grunde liegenden Ursache. In 40% der Fälle kommt es zu einer deutlichen, in 20% zu einer geringen Besserung; bei den Übrigen erweisen sich Therapien als erfolglos (sog. chronischer Verlauf).
Der Wunsch, schlank zu sein, ist in unserer Gesellschaft - insbesondere bei Frauen - sehr verbreitet. So wollen, unabhängig von ihrem Gewicht, Frauen in Deutschland im Durchschnitt um 5 Kilogramm leichter sein. Bei immer mehr Menschen nimmt dieser Wunsch mittlerweile krankhafte Formen an.

Die Bezeichnung "Bulimia nervosa", kurz Bulimie genannt, bedeutet sinngemäß "Ochsenhunger" (der Anhang "nervosa" deutet auf psychische Ursachen hin) und steht für ein Krankheitsbild, das in der Umgangssprache häufig "Ess-Brech-" oder "Fress-Kotz-Sucht" genannt wird.

Neben der Anorexia nervosa (besser bekannt als Anorexie oder Magersucht) ist die Bulimie das typischste Beispiel für eine Essstörung. Die Unterscheidung zwischen Anorexie und Bulimie ist oft schwierig. In der Presse werden sie häufig gleichgesetzt, obwohl es sich um unterschiedliche Störungsbilder handelt.

Gemeinsam ist beiden Krankheiten, dass bei den Betroffenen eine extreme Angst vor einer Gewichtszunahme besteht. Während jedoch bei der Anorexie starker Gewichtsverlust durch extreme Diät im Vordergrund steht, ist das Hauptmerkmal der Bulimie das wiederholte Auftreten von Essattacken, die von aktiv herbeigeführtem Erbrechen oder der Einnahme von Abführmitteln bzw. harntreibenden Mitteln gefolgt sind. Im Gegensatz zu anorektischen Patientinnen, die äußerlich durch ihr Untergewicht auffallen, liegt das Körpergewicht bei bulimischen Patientinnen meist im Normalbereich.

Häufigkeit
Stärker als bei jeder anderen psychischen Störung sind von der Bulimie vor allem Frauen betroffen. Auffällig ist, dass die Störung gehäuft in der Mittel- und Oberschicht auftritt. In der weiblichen Bevölkerung leiden in der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren etwa 2,5% an Bulimie. Auch bei Frauen ohne die Diagnose Essstörungen finden sich häufig einzelne Symptome der Bulimie: Etwa 5% der weiblichen Gesamtbevölkerung berichten, dass sie z.B. das Herbeiführen von Erbrechen und die Einnahme von Abführmitteln einsetzen, um Gewicht zu verlieren. Die Häufigkeit der Bulimie hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen; zur Erklärung wird häufig das derzeit herrschende Schlankheitsideal herangezogen. Etwa 4/5 aller Patientinnen erkranken vor dem 22. Lebensjahr. Bei der Hälfte der Betroffenen geht der Bulimie eine Anorexie voraus.
Ursachen
Man vermutet, dass bei der Entstehung einer Bulimie verschiedene Einflüsse zusammenwirken:

Gesellschaftliches Schlankheitsideal
In der europäischen Gesellschaft gilt ein Schönheitsideal, das insbesondere für Frauen einen schlanken, gesunden und schönen Körper fordert. Dieses Ideal begegnet Frauen Tag für Tag, ob zum Beispiel in der Werbung oder in Zeitschriften. Etwa 20% aller Frauen führen regelmäßig Schlankheitsdiäten durch. Nach einer erfolgreichen Diät erfährt die Person zunächst positive Konsequenzen (Komplimente, Stolz auf ihre Willensstärke). So kann es geschehen, dass Gewichtskontrolle und Schlanksein zu einer wichtigen Quelle für das Selbstbewusstsein werden. Deshalb sind gerade junge Frauen, die während der Pubertät bezüglich ihres Körpers noch unsicher sind, besonders anfällig für Essstörungen.

Lernerfahrungen
Die Erfahrungen, die früh im Umgang mit Nahrungsmitteln gemacht wurden, können bei der Entstehung von Bulimie eine entscheidende Rolle spielen. Ein Kind, das immer, wenn es traurig war, mit Schokolade getröstet wurde, kann später auf eine gedrückte Stimmung damit reagieren, sich "etwas" zu gönnen; insbesondere dann, wenn keine anderen Arten der Problembewältigung gelernt wurden. Es kann ein Problem dadurch entstehen, dass die Nahrungsaufnahme von dem eigentlichen körperlichen Bedürfnis losgelöst ist (beispielsweise, weil ein Kind gelernt hat zu essen, "was auf den Tisch kommt", unabhängig davon, ob es Hunger hat) und so das normale Hunger- und Sättigungsgefühl verlernt wird.

Symptome
Das Hauptmerkmal der Bulimie ist das wiederholte Auftreten von Essanfällen. Während dieser Anfälle nehmen die Betroffenen in kurzer Zeit große Nahrungsmengen zu sich, ohne das Gefühl zu haben, die Nahrungsaufnahme kontrollieren zu können. Es handelt sich meist um kohlenhydrat- und kalorienreiche Speisen wie Gebäck, Schokolade, Kartoffelchips oder Pudding. Durchschnittlich nehmen Patientinnen während eines Essanfalls 3.500 Kalorien zu sich. Diese Anfälle treten mehrmals wöchentlich, bei manchen Patientinnen sogar mehrmals täglich auf und dauern in der Regel etwa 1 -1,5 Stunden. Damit nicht auffällt, welche enormen Nahrungsmengen sie verbrauchen, gehen die betroffenen Frauen häufig in viele Supermärkte, in denen sie jeweils nur eine kleine Menge einkaufen. Wenn nicht genügend Essen zur Verfügung steht, kann es vorkommen, dass die Patientinnen Nahrungsreste in Mülltonnen suchen. 20% der Betroffenen haben Ladendiebstähle begangen, um sich Nahrungsmittel zu besorgen.

Bulimische Frauen beschäftigen sich andauernd und übertrieben mit ihrem Gewicht. Ihre Figur hat für die Patientinnen eine entscheidende Bedeutung für ihr Selbstwertgefühl. Deshalb wird die nach dem Essanfall befürchtete Gewichtszunahme als sehr bedrohlich erlebt und die Betroffenen greifen zu Maßnahmen der Gewichtskontrolle . Dies geschieht meist durch das Herbeiführen des Erbrechens oder durch die Einnahme großer Mengen von Harn treibenden Medikamenten oder Abführmitteln. Zwischen den Anfällen leben die Patienten meist nach einer sehr strengen Diät oder betreiben übermäßig viel Sport. Durch die Aufeinanderfolge von Fressanfällen und Diäten kommt es zu starken Gewichtsschwankungen. Im Durchschnitt bleibt das Gewicht bulimischer Patientinnen jedoch meist im Normalbereich.

Gezügeltes Essen
Zwischen den Essanfällen zeigen bulimische Patientinnen meist stark gezügeltes Essen. Als Konsequenz empfinden die Frauen oft Heißhunger. Insbesondere wenn zusätzlich noch Stress oder andere Belastungen auftreten, wird dadurch das Auftreten von Essanfällen begünstigt.

Belohnende Konsequenzen des Erbrechens
Die Aufnahme einer großen Nahrungsmenge während eines Essanfalls erzeugt bei den Betroffenen eine starke Angst vor einer Gewichtszunahme. Diese Angst wird durch Herbeiführen von Erbrechen zumindest kurzfristig abgeschwächt. Das Erbrechen wird also durch den Wegfall der Sorge um das Gewicht quasi belohnt und so als eine Strategie zur Gewichtskontrolle erlernt.

Diagnose
Die Bulimie ist eine Krankheit, die allein durch die Beschwerden schon eindeutig diagnostiziert werden kann. Erhebliche, kurzfristige Gewichtsschwankungen lassen den Fachmann bzw. die Fachfrau schnell hellhörig werden. Bei der Befragung der (meist) Patientinnen können auch testpsychologische Verfahren herangezogen werden, um eventuelle Persönlichkeitsstörungen aufzudecken. Bei der körperlichen Untersuchung geht es im Wesentlichen darum, Sekundärschäden wie Karies, Speiseröhrenentzündung u.Ä. festzustellen. Die Abgrenzung zu anderen psychischen Erkrankungen ist mitunter schwierig (z.B. Depressionen, Borderline-Störung, "Brechneurose", Schizophrenie, etc.).


Therapie
Bei der Behandlung von Bulimie werden kurzfristige und langfristige Maßnahmen eingesetzt. Grundsätzlich sollte die Behandlung in einer Klinik stattfinden, wenn schwer wiegende medizinische Probleme aufgetreten sind.

Zunächst ist es unumgänglich, eine Veränderung des Essverhaltens herbeizuführen, um einer weiteren Verschlechterung der gesundheitlichen Situation entgegen zu wirken und eine Rückbildung der biologischen Funktionsstörungen zu erreichen. Diese Funktionsstörungen werden hauptsächlich durch die Mangelernährung während der Diätphasen zwischen den Heißhungeranfällen verursacht. Hauptziel des so genannten "Ernährungsmanagements" ist es, das alltägliche Essverhalten zu normalisieren. Dabei wird nicht nur auf eine ausreichende Kalorienzufuhr, sondern auch auf eine angemessene Nahrungszusammensetzung und zeitliche Verteilung der Nahrungsaufnahme geachtet. Um dies zu erreichen, wird zunächst das Essverhalten der Patientin untersucht. Danach wird die Betroffene über die biologischen und psychologischen Konsequenzen der Mangelernährung aufgeklärt. In einer abschließenden Übungsphase wird die Patientin angeleitet, ihre Nahrungsaufnahme zu strukturieren. Häufig ist beim Ernährungsmanagement eine starke Kontrolle der Patientin notwendig, da die Betroffenen sich zwar oft scheinbar auf die Ernährungsumstellung einlassen, aus Angst vor einer Gewichtszunahme aber heimlich ein Erbrechen herbeiführen. Es ist deshalb auch erfolgsversprechend, z.B. mit der Patientin auszumachen, dass sie sich für das Einhalten der Therapie selber belohnt.

Ausgehend von der Annahme, dass Bulimie Ausdruck einer tieferliegenden Ursache, wie z.B. eines mangelnden Selbstwertgefühls ist, erscheint es notwendig, dass die Behandlung sich nicht allein auf die Normalisierung der Symptomatik, d.h. des Essverhaltens, und der ernährungsbedingten Verfassung beschränkt. Wichtig ist es auch, den Betroffenen zu helfen, sich von einer Gewöhnung an ihr krankhaftes Verhalten zu lösen. Zur langfristigen Behandlung der Bulimie werden verschiedene Methoden angewandt:

Verlauf
Zum Verlauf der Bulimie ist recht wenig bekannt, da Bulimie erst seit 1980 als eigenständige Diagnose erhoben wird. Es wird davon ausgegangen, dass sich im Krankheitsverlauf Phasen mit geringer und stark ausgeprägter Symptomatik abwechseln. Im Durchschnitt besteht die Störung bereits fünf Jahre, ehe der erste Behandlungsversuch unternommen wird. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die Patienten häufig versuchen, ihre Krankheit zu verheimlichen und Vorkehrungen treffen, damit sie auch nicht von anderen entdeckt wird. Nach einer stationären Therapie können etwa 40% der Patientinnen als deutlich gebessert und 20% als teilweise gebessert bezeichnet werden. Bei den übrigen 40% bleibt aber ein Behandlungserfolg aus. Das scheint insbesondere bei Frauen der Fall zu sein, die neben der Bulimie auch unter depressiven Symptomen, unter Angst- oder Zwangstörungen leiden.

Als Konsequenz des häufigen Erbrechens treten medizinische Probleme auf. Es kommt häufig zu Kaliummangel, der zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Darüber hinaus treten Entzündungen der Speiseröhre, Magenwandschädigungen, Schwellungen der Ohrspeicheldrüsen, oft erhebliche Schädigungen des Zahnschmelzes und Veränderung an Haut und Haaren auf. Durch das Einführen des Fingers oder von Fremdkörpern, um Erbrechen herbeizuführen, kann die Mundhöhle verletzt werden, außerdem besteht Erstickungsgefahr, wenn der Mageninhalt in die Luftröhre gelangt. Durch dem Missbrauch von Harn treibenden und abführenden Mittel kommt es, neben dem erwähnten Kaliummangel, zu schweren Störungen des Mineralstoffwechsels. Häufig leiden bulimische Patientinnen unter Unterernährung, die u.a. zu Störungen des Hormonsystems führt. Konsequenzen sind häufig Ausbleiben der Menstruation, Unfruchtbarkeit, Energiemangel und Kälteempfindlichkeit. Hinzu kommen finanzielle Schwierigkeiten, bedingt durch den großen Nahrungsmittelkonsum und die Ausgaben für Abführmittel.

Bei bis zu 50% der bulimischen Frauen treten, vermutlich als Folge der Essstörung, depressive Symptome auf. Stimmungslabilität, Schuldgefühle und Suizidgedanken werden häufig im Zusammenhang mit den Ess- und Brechanfällen beobachtet. So ist z.B. das Gefühl der Erleichterung nach dem Erbrechen nur von kurzer Dauer und wird von Niedergeschlagenheit gefolgt. Essanfälle lösen häufig Selbstvorwürfe, sich selbst nicht genug unter Kontrolle zu haben, aus.

Zahngesunde Ernährung

Body-mass-Index und Pulsfrequenz